Das Gesundheitssystem für und mit Frauen gestalten

Berlin, 08. März 2022

Der Runde Tisch „Frauen im Gesundheitswesen“ – eine Zusammenarbeit von mehreren Initiativen und Verbänden aus dem Gesundheitswesen, die sich für eine stärkere Repräsentation von Frauen in Führungspositionen engagieren – fordert anlässlich des Weltfrauentags Politik und Wirtschaft zum Handeln auf.

Mit einem konstanten Frauenanteil von über 75 % ist das Gesicht des Gesundheitswesens weiblich. Auf Ebene der Entscheidungstragenden spiegelt sich dieses Bild jedoch nicht wider: Lediglich 17 %i der Positionen im Topmanagement des Gesundheitssystems sind mit Frauen besetzt. Nach einem Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)ii zeigen Unternehmen bzw. Organisationen, die in ihren Strukturen geschlechtliche Vielfalt berücksichtigen, eine bessere ökonomische Performance. Allerdings setzen diese Effekte erst ein, wenn mindestens 30 % aller Führungsrollen und strategischen Positionen von Frauen besetzt sind.

Leitbild im deutschen Gesundheitswesen muss eine neue Unternehmens- bzw. Organisationskultur sein, die sich daran ausrichtet, welche Vorteile Frauen in Führungspositionen und gemischte Teams generieren. Eine konsequente Förderung junger Frauen und stärkere Repräsentation weiblicher Führungskräfte in Entscheidungs- und Führungsgremien bietet die Chance, die Versorgung und den Arbeitsmarkt Gesundheitswesen grundlegend durch diverse, zeitgemäße Impulse positiv zu verändern. Es ist jetzt Zeit zu handeln!

Aufforderung zum Handeln für Politik, Unternehmen und Organisationen der Gesundheitsbranche in fünf Bereichen:

Paritätische Besetzung auf der Führungsebene innerhalb der nächsten fünf Jahre durchsetzen

Die Vorteile von gemischten Management-Teams sind bekannt und dennoch sind sie in Deutschland keine Selbstverständlichkeit. Damit sie Realität werden, kann in Deutschland offensichtlich nicht allein auf Eigeninitiative gesetzt werden. Daher braucht es verbindliche Vorgaben. Selbstverständlich sind Quoten immer nur eine second-best Option, folglich sind sie als Übergangslösung bis zur Normalisierung der Geschlechterverhältnisse zu sehen.

Job-Sharing fördern

Dass nur wenige Top-Positionen mit Frauen besetzt sind, scheitert vor allem an mangelnden strukturellen Voraussetzungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Job- Sharing und insbesondere Top-Sharing müssen von Unternehmen und der Politik gefördert werden. Auch für Männer, insbesondere in Führungspositionen, muss es normal werden, familiäre Verantwortung zu übernehmen. Job-Sharing Modelle fördern das.

Flexiblere und verlässlichere Arbeitsbedingungen schaffen

Viel Potenzial liegt in kleinen Maßnahmen zur Änderung der Arbeitskultur, die eine große Hebelwirkung entfalten können. Für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen Jobs gleichzeitig planbar und flexibel sein. Flexibel mit Blick auf Arbeitsort und -zeiten. Planbar in Bezug auf die Einhaltung von familienfreundlichen Terminregeln, wie keine Ad-Hoc- oder Abendtermine. Wenn Dienstreisen, Nacht- oder Wochenendschichten nicht für Personal mit Kindern möglich sind, müssen andere Lösungen gesucht werden.

Aufstiegschancen bauen

Maßnahmen zur Fort- und Weiterbildung schaffen Aufstiegschancen. Sie führen zu einer Aufwertung der traditionell weiblich besetzten Gesundheitsberufe, die häufig als Assistenztätigkeit wahrgenommen werden. In der Pflege schafft Akademisierung Karrieremöglichkeiten, die darüber hinaus die Attraktivität des Berufsfeldes erhöhen. Aufstiegschancen für Frauen müssen aber auch in anderen Gesundheitsbereichen geschaffen werden.

Zielorientierte Anreize kreieren

Nachhaltiges Personalmanagement im Gesundheitswesen gelingt nur, wenn neben strukturellen auch finanzielle Rahmenbedingungen attraktiv ausgestaltet werden. Eine Angleichung von Verdiensten, Gehältern und Renten hat deshalb Priorität. Ganz abgesehen von der berechtigten Forderung nach Gerechtigkeit, können finanzielle Anreize einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die weibliche Workforce im Gesundheitswesen zu halten. Hierfür müssen auch unser Sozialsystem und das Steuersystem auf den Prüfstand gestellt werden. Beide fußen weiterhin auf tradierten Rollenbildern, die Geschlechtergerechtigkeit geradezu konterkarieren und alte Denkmuster aufrechterhalten.

In der Fokussierung auf sog. weichen Faktoren wie Zusammenarbeit, Kooperation zwischen den Gesundheitsberufen, flachen Hierarchien, aber auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der Aufwertung von Pflege und Care-Arbeit etc. liegt das Potenzial, Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen auf der einen Seite und die Versorgungsabläufe auf der anderen Seite substanziell zu verbessern. Dazu gehört das Aufbrechen von Versorgungssilos, mehr PatientInnenzentrierung sowie eine stärkere interprofessionelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit aller an der Versorgung und Pflege Beteiligten. Durch Weiterqualifizierung gelingt zugleich eine Anpassung an die großen Herausforderungen von immer komplexeren Versorgungsbedarfen. Qualifiziertes Personal bleibt dem Gesundheitswesen erhalten. Wer die Weichen stellt für mehr Frauen in Entscheidungsfunktionen des Gesundheitswesens, stellt gleichzeitig die Weichen für eine nachhaltige Weiterentwicklung des Systems.

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