Die Spitzenfrauen Gesundheit haben gemeinsam mit einer Vielzahl von Frauenorganisationen, Ärztinnenorganisationen, NGOs, Stiftungen und Menschenrechtsorganisationen einen Verbändebrief mitgezeichnet, in dem wir an die Bundesregierung und die MdBs der Regierungsparteien appellieren, noch in dieser Wahlperiode einen Gesetzesentwurf zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs zur Beratung und Abstimmung im Bundestag vorzulegen.
Ganz besonders unterstützen wir die Forderung, Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetzbuch herauszunehmen. Denn der Schwangerschaftsabbruch wird hierzulande immer noch kriminalisiert, die betroffenen Frauen stigmatisiert. Die Versorgungslage ist deswegen regional sehr unterschiedlich und vielerorts unzureichend.
Die grundsätzliche Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs, zumindest in der Frühphase der Schwangerschaft, ist nicht haltbar. Viele Gynäkolog:nnen wären bereit, bei verbesserten Rahmenbedingungen Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen – die geltende Regelung in § 218ff StGB steht dem jedoch im Weg.
Hier findet ihr Gründe, warum der § 218 aus dem StGB zu streichen ist:
§ 218 ist veraltet. Der Paragraf wurde im Jahre 1871 im Kaiserreich verabschiedet, zu einer von Kirche und Patriarchat dominierten Zeit, in der Frauen kaum Rechte hatten.
§ 218 widerspricht dem Grundgesetz. Der Paragraf richtet sich gegen körperliche Autonomie und Persönlichkeitsrechte. Er greift die Würde ungewollt Schwangerer an, indem Gebärzwang gefordert wird.
§ 218 symbolisiert Unterdrückung. Der Schwangerschaftsabbruch ist grundsätzlich strafbar. Die Strafen sind verhältnismäßig hoch, werden aber kaum praktiziert. Es ist die Frage zu stellen, wie sinnhaft eine Bestrafung für dieses „Delikt“ ist.
§ 218 diskriminiert auf Basis des Geschlechts. Reproduktive Selbstbestimmung ist die Grundlage geschlechtlicher Gleichberechtigung. Ohne körperliche Autonomie ist eine vollständige Emanzipation nicht möglich.
§ 218 bevormundet. Die Zurechnungs- und Endscheidungsfähigkeit ungewollt Schwangerer wird durch die Pflichtberatung und 3-Tage-Wartezeit zwischen Beratung und Eingriff vom Staat in Frage gestellt.
§ 218 schikaniert Betroffene. Die geltende Regelung behandelt Schwangerschaftsabbrüche als Straftat, obwohl sie Bestandteil des reproduktiven Zyklus gebärfähiger Menschen sein können. In einer solch schwierigen Situation brauchen Betroffene weder Bestrafung noch Tabuisierung, sondern bestmögliche medizinische und psychosoziale Versorgung und Beratung.
§ 218 kriminalisiert Ärzt:innen. Ein Schwangerschaftsabbruch nach Beratungsregelung ist rechtswidrig und nur unter bestimmten Bedingungen straffrei. Ärzt:innen werden in eine juristische Grauzone gedrängt. Der „Werbeverbot“- Paragraf § 219a verhindert, dass sie über verschiedene Methoden ausreichend informieren können.
§ 218 führt zur medizinischen Unterversorgung.
Die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen verhindert eine optimale klinische Versorgung.
§ 218 ist kontraproduktiv. Unzählige Studien und internationale Erfahrungen zeigen, dass die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen deren Anzahl nicht erhöht, sondern lediglich zu einer Verbesserung der Versorgung ungewollt Schwangerer führt.
Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag formuliert: „Wir stärken das Selbstbestimmungsrecht von Frauen. Wir stellen Versorgungssicherheit her.“ In diesem Jahr wurde das Grundgesetz 75 Jahre alt: Ein schöner Anlass, um den Gleichheitsgrundsatz in Art. 3 GG sowie das im Koalitionsvertrag postulierte Selbstbestimmungsrecht von Frauen umzusetzen.
Alle UnterzeichnerInnen, auch wir Spitzenfrauen, bieten dabei unsere fachliche Unterstützung für die Erarbeitung einer zielführenden gesetzlichen Regelung nach gesundheitsförderlichen, verfassungsrechtlichen und menschenrechtlichen Gesichtspunkten an.
Eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs im Sinne einer guten Gesundheitsversorgung und im Sinne der Rechtssicherheit ist überfällig und auch machbar
Link zur Pressemitteilung von pro familia - der Bundesverband war federführend: [pro familia Pressemitteilung](https://lnkd.in/dCzCqC6R)